Vnd der Philosophus saget: Qui labornt, relaxatione egent, wann sich einer müde gearbeitet / so muß er auch wiederumb eine kleine Erquickung haben. Nun ist aber vnter allen dingen / welche die ermüdete und abgemattete Gemüther der Menschen zu ergetzen und zu belustigen geschicket vnd tauglig sein / keines so lieblich vnd anmutig / alse eben die Comoedien vnd Tragoedien sein… .
… Nicht allein sind solche Actiones über alle masse lustig / vnd anmuthig / besonderen auch sehr nützlich.
Nützlich sind sie den jenigen / welche jre Personen auff dem Theatro öffentlich praesentiren vnd darstellen / Nützlich sind sie auch allen Spectatoribus vnd Zusehern ins gemein.
Die jenige zwar / welche bey diesem löblichen Exercitio sich selber gebrauchen lassen / haben einen fünffachen nutzen darauß zugewarten: Denn einmal ists gewiß / daß ihr Judicium vnd Verstand nicht wenig dadurch wird gescherffet … Vors ander so werden auch die Gemühter dergestalt dadurch alteriret, daß sie den Lastern (welche in den actionibus comicis repraesentiret werden) von Hertzen gram vnd feind werden / den Tugenden aber / als deren Majestät vnd Herrligkeit sie vor äugen gesehen / beständiglich anhangen. Ferner vnd vors dritte / so wird auch die Gedechtnisse mercklich dadurch verbessert / also / daß sie andere Sachen hinfort desto leichter außwendig lernen / fasse und behalten können. Vors vierdte / so wird auch mancher dadurch sehr expedit vnd fertig im Reden / also das er mannigmahl seine schwache Stimme / ja auch wol daz vnziehrliche stamlen der Zunge dadurch kan corrigiren und verbessern. Schließlich so nehmen sie auch dadurch andere vnd löblichere Sitten an sich / lernende / was jhnen wol oder übel anstehet / lassen die Furchtsamkeit fahren / und gewehnen sich mit der zeit jhres Hertzen meinung auch in gegenwahrt hoher vnd grosser Leute / gantz freymüthig / jedoch gebürlich herauß zu reden.
Gekürzter Text aus der Vorrede zu „Perseus“ [1]
(zu lesen auf der Trennwand zum Bühnensaal im Johann-Rist-Gymnasium)
[1] Zit. nach Rist, Johann, Perseus, Vorrede, Berliner Ausgabe 2013, S. 4f.