Berichterstattung zur Matinée „Himmlische Gartenlust“

Ein magisches Gärtlein

Hier sind sich zwei Freunde wieder begegnet, deren Tod im selben Jahr betrauert wurde. Die einen beweinten in Hamburg ihren Geigenvirtuosen, Organisten und Komponisten. Die anderen, in Wedel, schenken die Abschiedstränen ihrem Dichter, Universalgelehrten und Pastor. Zu Lebzeiten sorgte der eine, Johann Rist, für die Reime, der andere, Johann Schop, für die Musik. Ihr Todesjahr, 1667, liegt annähernd 350 Jahre zurück, ihre Kunst hielt jetzt taufrisch Einzug in einen Wedeler „Glaspalast“. Aus Tenorblockflöte und Barockgitarre rannen Schops Klänge einer Lacrimae Pavaen, wie der feierliche Einzug einer Braut (pavane), wie ein auskomponierter Fluss von Tränen (lacrima). Und festlich schreitend fasst Rist die rechte Hand seiner Tanzdame, Mademoiselle „Blumenpracht des Frühlings“. Ja, richtig, dies ist eine Szenerie des Barocks, schmuckreich und vielfarbig glänzend wie eine Perle.

Die Veranstalter der Johann-Rist-Gesellschaft in Wedel rechneten mit etwa 40 Besuchern zu ihrer diesjährigen Matinée: „Himmlische Gartenlust. Die Blumenentrées aus Johann Rists Monatsgesprächen.“ Am regen-verhangen Sonntagvormittag begehrten dann aber 170 Ristfreunde Einlass unter das hohe Glasdach der Gartenabteilung von Lüchaus Baumarkt in Wedel. Jochen Lüchau mit seinen Leuten war nicht aus seiner humorigen Ruhe zu bringen und plünderte sogar seine Schaufensterauslagen, um allen einen Sitzplatz zu bieten. Die Akteure der Festlichkeit bewegten sich in einer Flut von exotischen und einheimischen Frühlingsblüten. Und als über Blumen und Flötenklängen sich noch „die Himmel öffneten“ und Sonne flutete, war ein Hauch von barockem Lebensgefühl eingekehrt. Matthias Dworzack, Vorsitzender der Rist-Gesellschaft, nutzte dieses Hochgefühl, zu einer kuriosen Premiere. Der Flötist, Tilman Clasen wird nicht schlecht gestaunt haben, als nicht von ihm, sondern für ihn Musik angestimmt wurde. Das Publikum gratulierte dem jungen Mann mit einem vierstimmigen Kanon unter kundiger Leitung von Matthias Dworzack zum Geburtstag. Und der Musikerkollege auf der Bühne, der Barock-Gitarrist Felix Ritter bewunderte Klang und Akustik der verkehrten Darbietung. Nach feinfühligem Stimmen seines Saiten-Instrumentes schien er noch anerkennend nachzusinnen: „Für ein historisches Instrument ist das gut genug gestimmt“. Was die beiden zum Besten gaben, verdiente in der Tat eben diese Bezeichnung: das Beste. Ein virtuoses Konzert von Telemann bis Ortiz. In bewundernder Ankündigung der Spielkunst von Violonisten in einem der folgenden Stücke, verzauberte Tilman Clasen die Transkriptions-Noten für seine Flöte in gefühlte 264igstel. „Gibt´s das? Ich komme mit dem Hören gar nicht hinterher, so schnell spielt der Mann“, staunte eine Zuhörerin.

Und das Herzstück der Veranstaltung wurde präsentiert von Anke Kjer, auch hier trifft die Bezeichnung „Stück des Herzens“ auf ihre Vortragsweise zu. Bekanntlich hat Johann Rist kurz vor seinem Lebensende noch eine epochale Idee verwirklicht: die „Monatsschriften“. Sie sind die Vorläufer moderner Zeitschriften, aber damals noch als Bücher gebunden. All diesen sechs Ausgaben ist ein literarisches „Entrée“ vorangestellt, das die blühenden Pflanzen seiner „Gärtchen“ im jeweiligen Ausgabemonat charakterisiert. Detailliert und einfühlend in die Gartenkunst von Johann Rist, erklärte Anke Kjer Blume für Blume den rund um sie aufgebauten Blütensegen aus den Monaten März bis Mai: Zu Rists Zeit war die Tulpe ein Statussymbol für dessen Besitzer, so begehrt und teuer, dass die Spekulation mit den Tulpenzwiebeln einst sogar zu einem Börsencrash führte. In der Hyazinthe entdeckte Rist den christlichen Mythos österlicher Auferstehung, in der eine Seele sich einen neuen Leib suche. Die Blüten-Farbe Blau galt Rist als Offenbarung des Göttlichen in der Welt, weshalb Maria und die Könige von Malern in blauen Gewändern verewigt wurden. Eine halbe Tonne Maiglöckchen verwandte Rist zur Destillation von wohlriechenden und heilwirksamen Ölen. Zur Warzenverätzung empfahl Rist die Ranunkeln. Und ein Arrangement von Peonien gehöre doch in
jeden Lustgarten, deren Verächter jedoch, „diese dummen nichtwissenden Büffel, sich besser wie die
Säue im Dreck wälzen sollten“, zitierte die Vortragende Rist. Freunde, die den Pastor dereinst
besuchten, führte Rist in sein mit Flieder und Blüten verziertes Garten-Lust-Häuschen und beschloss
den Abend gemeinsam mit einem „Trünklein des besten aquae vitae.“

Solch guter Tradition folgend, klang auch die Matinée aus mit einem Teller Geschnetzeltem und
einem Trünklein aus temperierten Flaschen. „Applaus wie sonst nur in der Elphi“. Und wie würde die
beiden Johanns, Rist und Schop ihre Begegnung gefreut haben? Mit einer Träne der Rührung? Und
mit dem Herzenswunsch nach einer Zugabe?

Arno Schöppe

 

Hier finden Sie noch ein paar weitere Eindrücke von Sonntag:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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